sEMG-Signal: Korreliert nur bedingt mit Muskelkraft.

sEMG-Signal: Korreliert nur bedingt mit Muskelkraft.
Copyright Noraxon USA. 2022.

Eine hohe Muskelaktivität bedeutet nicht zwangsläufig eine große Muskelkraft. Viele Forscher interpretieren EMG-Signale als Proxy für Muskelkraft, aber das sind zwei unterschiedliche paar Schuhe. [5]

Was ist EMG überhaupt?
EMG steht für Elektromyographie. Damit wird die elektrische Aktivität in Muskeln oder besser auf den Muskeln untersucht. Das Zentralnervensystem (ZNS) senden elektrische Impulse durch die Nervenbahnen zum Alpha-Motoneuron, die diese wiederum an die Muskelfasern weiterleitet.

EMG kein gutes Maß für Muskelkraft

Hohe Aktivität bedeutet nicht hohe Kraft

Problem mit dem Zusammenhang zur Muskelkraft:

  1. Durch oberflächliche EMG-Messung bekommen wir nur einen Blickwinkel der außerhalb der Muskelfaser liegt. Wir wissen nicht wie groß der elektrische Impuls innerhalb genau ist.
  2. Nur weil ein Muskel aktiv ist, bedeutet dies nicht das er automatisch Kraft produziert. Bei einem EMG-Signal von Null kann sogar viel Muskelkraft vorherrschen, wenn man beispielsweise an eine exzentrische Dehnung denkt.
  3. Selbst wenn man mit EMG-Elektroden ein Signal auffasst, spielt dies nicht einen aktiven Querbrücken-Zyklus wieder.
  4. Zusätzliche gibt es große Unterschiede zwischen Muskelgruppen, selbst bei gleicher Kontraktionsart.
💡
In isometrischen Kontraktionen des ersten dorsal interosseous und dem Adductor pollicis Muskeln gibt es einen linearen Zusammenhang zwischen EMG-Amplitude und Muskelkraft. Im M. biceps brachii, triceps brachii und dem Deltoideus ist dieser jedoch nicht-linear.
(Woods & Bigland-Ritchie, 1983; Lawrence & De Luca, 1983)
"The achieved consensus makes clear that there are limited scenarios in which EMG can be used to accurately estimate muscle forces."
(Dick et al., 2024, p. 1)

Wie kommt es zur Entwicklung der Muskelkraft?

Excitation > Activation > Force

© 2018 Vigotsky, Halperin, Lehman, Trajano and Vieira. CC BY 4.0. https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

Muskelaktivität bezeichnet einen Zustand des Muskels und steht mit der aktiven Kraftproduktion in Verbindung (daher keine passiven Kräfte).

Aktivität ist ein Skalierungsfaktor, welche mit der aktiven Krafterzeugung und der maximal möglichen aktiven Kraft bei einer spezifischen Faserlänge und Kontraktionsgeschwindigkeit in Zusammenhang steht (Zajac, 1989).

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Die Muskelaktivität wird von Länge und Kontraktionsgeschwindigkeit des Muskels nicht beeinflusst. Die Muskelkraft wird aber sehr stark durch Faserlänge und Geschwindigkeit determiniert.

Kraft-Längen-Aktivierung

Yekutieli et al. (2005)

EMG gibt einen zusätzlichen Parameter her, der die Muskelkraft beeinflussen kann aber alleine sagt er nur bedingt nützliches aus. Die Interpretation eines EMG-Signals sollte unter einem bestimmten Voraussetzungsschema durchgeführt werden, um die Zuverlässigkeit zu verbessern (siehe Electromyography (CEDE) Project von Dick et al., 2024).

All-in-All sollte nicht zu viel in ein EMG-Signal interpretiert werden. Es ist ein Zeichen dafür, dass der Muskel wahrscheinlich vom ZNS erregt wird, mehr auch nicht. Es muss noch lange kein aktiver Querbrücken-Zyklus stattfinden.


Literaturverzeichnis:

  1. Hug, F., Hodges, P. W., & Tucker, K. (2015). Muscle force cannot be directly inferred from muscle activation: illustrated by the proposed imbalance of force between the vastus medialis and vastus lateralis in people with patellofemoral pain. Journal of orthopaedic & Sports physical therapy45(5), 360-365.
  2. Vigotsky AD, Halperin I, Lehman GJ, Trajano GS and Vieira TM (2018) Interpreting Signal Amplitudes in Surface Electromyography Studies in Sport and Rehabilitation Sciences. Front. Physiol. 8:985. doi: 10.3389/fphys.2017.00985
  3. J. M. Dick, T., Tucker, K., Hug, F., Besomi, M., van Dieën, J. H., Enoka, R. M., Besier, T., Carson, R. G., Clancy, E. A., Disselhorst-Klug, C., Falla, D., Farina, D., Gandevia, S., Holobar, A., Kiernan, M. C., Lowery, M., McGill, K., Merletti, R., Perreault, E., … Hodges, P. W. (2024). Consensus for experimental design in electromyography (CEDE) project: Application of EMG to estimate muscle force. Journal of Electromyography and Kinesiology, 102910. https://doi.org/10.1016/j.jelekin.2024.102910
  4. Zajac F. E. (1989). Muscle and tendon: properties, models, scaling, and application to biomechanics and motor control. Critical reviews in biomedical engineering17(4), 359–411.
  5. Schoenfeld, B.J., Contreras, B., Willardson, J.M. et al. Muscle activation during low- versus high-load resistance training in well-trained men. Eur J Appl Physiol 114, 2491–2497 (2014). https://doi.org/10.1007/s00421-014-2976-9
  6. Yekutieli, Y., Sagiv-Zohar, R., Hochner, B., & Flash, T. (2005). Dynamic model of the octopus arm. II. Control of reaching movements. Journal of neurophysiology94(2), 1459–1468. https://doi.org/10.1152/jn.00685.2004
  7. Woods, J. J., & Bigland-Ritchie, B. (1983). Linear and non-linear surface EMG/force relationships in human muscles. An anatomical/functional argument for the existence of both. American journal of physical medicine62(6), 287–299.
  8. Lawrence, J. H., & De Luca, C. J. (1983). Myoelectric signal versus force relationship in different human muscles. Journal of applied physiology: respiratory, environmental and exercise physiology54(6), 1653–1659. https://doi.org/10.1152/jappl.1983.54.6.1653