Velocity-Based Training: Theorie und Applikation

Eine moderne Methode, um die Intensität und das Volumen auf eine objektive Art und Weise im Krafttraining zu steuern. Ermüdung ist für jeden Unterschiedlich und von vielen Faktoren außerhalb des Trainings abhängig. Geschwindigkeitsbasiertes Training (VBT) versucht deshalb die Tagesverfassung und Trainingsermüdung mit zu berücksichtigen.
Gute Nachrichten, die aktuelle Studienlandschaft über VBT ist sehr positiv und vielversprechend. Ermüdungsmanagement auf objektiver Basis und gleichzeitig hochhalten der Bewegungsqualität, nicht nur die Maximalkraft profitiert von VBT in trainierten Personen, sondern auch viele andere athletische Bewegungen (Zhang et al, 2022).
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass Krafttraining mit VBT die Verbesserung in diversen athletischen Bewegungen (bswp. CMJ) (Orange et al., 2022) und die maximale Anzahl an Wiederholungen bei einer Übung maximieren kann. Interessanterweise gibt es zwischen den untersuchten Studienergebnissen Homogenität für die Maximalkraft.
Individuelle Voraussetzungen
Relevanz der Trainingssteuerung
Wir wissen, dass die Anzahl der Wiederholungen die in einer Bewegung absolviert werden können zwischen Athletinnen und Athleten schwankt. Daher macht eine pauschale Angabe von % des 1RM wenig Sinn. Die selbe Satzanzahl oder Wiederholungsanzahl verursacht in verschiedenen Personen unterschiedliche Level an Anstrengung und Ermüdung.
(Richens & Cleather, 2014; Weakley et al., 2020)
Daraus hat sich VBT entwickelt: Eine zuverlässig und objektive Bestimmung der Trainingsbeanspruchung. VBT erlaubt eine Steuerung des Krafttrainings durch genaue Messungen wie Geschwindigkeit, Beschleunigung oder Weg. Dieser weiterer Trainingsparameter kann für eine bessere Trainingsplanung zusätzlich zu prozentbasierter Steuerung oder Steuerung mit RPEs genutzt werden.

Reliabilität von VBT
Es herrscht ein fast perfekter linearer Zusammenhang zwischen Bewegungsgeschwindigkeit und Intensität.
(Conceicao et al., 2015; García-Ramos et al., 2018)

Die Mean Velocity (MV) scheint im Bankdrücken die Intensität genauer zu bestimmen als die Mean Propulsive (MPV) und Peak Velocity (PV) (García-Ramos et al., 2018, p. 1274). Im Krafttraining abseits des Powerbereichs ist die Bestimmung der MV oder der PV für Testungen und Steuerung wichtiger als die MPV, da sich hohe Lasten mit langsamen Geschwindigkeiten bewegen.
Will man jedoch Power trainieren oder eine leichte oder mittlere Last schnell beschleunigen, dann scheint die Mean Propulsive Velocity ein besserer Parameter zu sein, da man hier nur die Bewegungsbereiche berücksichtigt die größer als die Erdbeschleunigung (-9.81 m/s^2) sind. So kann es sein, dass sich in einem Bewegungsbereich keine große Kraft aufgebracht wird, wenn die zu beschleunigende Masse träg ist und schnell bewegt wird.
Sinkende Geschwindigkeit
Wirkung der Ermüdung
Wenn man im Training ermüdet, dann ist eine stetige Verringerung der Kontraktionsgeschwindigkeit, Relaxationszeiten, und kraftproduzierende Kapazitäten zu beobachten. Kurz gesagt, die willkürliche Bewegungsgeschwindigkeit nimmt ab.
(Sánchez-Medina & González-Badillo, 2011; González-Badillo et al., 2017)
Die Ultimative von VBT sind zwei Dinge (Thompson et al., 2023, p. 9):
1. Ermüdungsmanagement und damit wird sowohl die Tagesverfassung als auch die wahrscheinlich erzeugte Ermüdung im Training berücksichtigt.
2. Eine effizientere Manipulation von Belastungsvariablen des Trainings (Volumen, Intensität, usw.)
Velocity Loss & Stop
Belastungs- und Ermüdungsmanagement
In einer Studie von Banyard et al. (2024) wurde die Steuerung des Trainings zwischen klassischen prozent-basierten Vorgaben (% 1RM) und geschwindigkeitsbasierten Vorgaben (mit Mean Velocity) in der freien Kniebeuge mit der Langhantel verglichen.
Dabei wurde das Trainingsvolumen mit Geschwindigkeiten folgend bestimmt:
Es wurde die Geschwindigkeit bei 80% des 1RM als Basis hergezogen und mit einem 20%-igem Threshold versehen. War die Geschwindigkeit nicht mehr in diesem Soll-Bereich (FSVL20), oder fünf Wiederholungen abgeschlossen, wurde der Satz beendet. Es wurden hier 5 Sätze durchgeführt.

Wie sich herausstellte, war das Training mit einer der geschwindigkeitsbasierten Methoden besser, um die Bewegungsgeschwindigkeiten während dem Training hoch zu halten. Geschwindigkeitsbasiertes Training erlaubt es einem das Training an den aktuellen Zustand des neuromuskulären Systems anzupassen und ist besser im Vergleich zu traditionellen prozentbasierten Trainingsplänen (Banyard et al. 2024, p. 19).
Eine weitere Studie von Pareja-Blanco et al. (2017) hat die Effekte eines Velocity Loss von 20% und 40% auf die Maximalkraft und Muskelanpassungen untersucht. Es stellte sich heraus, dass ein Velocity Loss von 20% zu den selben Kraftzuwächsen führte verglichen mit einem Velocity Loss von 40%, obwohl weniger Wiederholungen pro Satz absolviert wurden. Daher führte das Training mit 20% VL trotz eines geringerem Trainingsvolumen zu den selben Kraftzuwächsen als die VL 40% Gruppe. Dafür konnte jedoch die Gruppe mit einem VL von 40% eine größere Hypertrophie verzeichnen, vermutlich durch das mehr an Volumen und den größeren Anstrengungsgrad.

Praktische Applikation
VBT
Mit Geschwindigkeiten kann man folgend steuern (Banyard et al., 2024, pp. 6-7):
- Variable/Fixe Satzanzahl mit einem Velocity Loss Threshold (VSVL, FSVL)
- Variable/Fixe Satzanzahl mit einem Velocity Stop (VSVS/FSVS)
- Variable/Fixe Satzanzahl mit geschwindigkeits-bestimmtem Load (LVP)
Variable/Fixe Sätze mit einem Velocity Threshold (VSVL, FSVL):
Es wird die Last und Anzahl an Wiederholungen fix (FSVL) oder Anzahl an Wiederholungen variabel (VSVL) vorgegeben. Anschließend wird ein Prozentsatz an Verlust der Anfangsgeschwindigkeit gewählt (bspw. 20%). Es werden so viele Wiederholungen absolviert, bis die letzte Wiederholungsgeschwindigkeit unter diesem Prozentsatz liegt.
Pros: Erlaubt ein Hochhalten der Bewegungsgeschwindigkeit durch weniger Ermüdung. Intraset-Ermüdung wird berücksichtigt.
Cons: Geschwindigkeitsmesser mit Velocity Loss Anzeige nötig.
Variable/Fixe Satzanzahl mit einem Velocity Stop (VSVS/FSVS):
Der Velocity Stop ist einfacher als der Velocity Loss zu steuern, da man hier nur auf einen absoluten Geschwindigkeitswert achten muss. Hier gibt man eine Zielgeschwindigkeit (bspw. 0,4 m/s) als Lastvorgabe an und gelangt die Wiederholungsgeschwindigkeit unter eine Geschwindigkeitsgrenze (bspw. unter 0,1 m/s), dann wird der Satz beendet. Diese Geschwindigkeitsgrenze muss mit einer RPE abgeglichen werden, dazu braucht man einen Test zum Versagen und setzt dann die RPE mit den jeweiligen Bewegungsgeschwindigkeiten gleich.
Pros: Einfach während dem Training durchzuführen und zu überwachen. Schnell umsetzbar, da weniger rechenintensiv. Intraset-Ermüdung wird berücksichtigt.
Cons: Lastvorgabe möglicherweise bei bestimmten Intensitäten ungenau.
Variable/Fixe Satzanzahl mit geschwindigkeits-bestimmtem Load (LVP):
Hier wird die Trainingslast mit einem vorher zugeschnittenem Load-Velocity Profile (LVP) bestimmt und eine vorgegebene Satzanzahl durchgeführt und/oder Wiederholungsanzahl absolviert, ohne den Verlust an Geschwindigkeit zu berücksichtigen.
Pros: Die Trainingslast ist autoreguliert an die Tagesverfassung, objektive Erweiterung von prozentbasiertem Training.
Cons: Intraset-Ermüdung wird jedoch nicht berücksichtigt.
Falls ein Geschwindigkeitsmesser mit einem Seil verwendet wird, dann sollte das Seil möglichst zentral der Langhantel angebracht werden. Je weiter weg, desto weniger spiegelt es die Veränderung der Position der Hantel im Raum wieder . An den Langhantel-Enden war die ungenauste Messung der Hantelgeschwindigkeit festzustellen, verglichen mit einer zentraleren Messung (r = 0.96 vs. r = 0.71).(Appleby et al., 2020, p. 69-70)
Um die Maximalkraft mit VBT zu erhöhen, empfiehlt Zhang et al. (2023) aus ihrer Meta-Analyse über VBT folgende Belastungsvariablen:
- Velocity Loss von 15-30%
- Intensität von 70-80% 1RM
- Satzanzahl von 3-5 pro Einheit
- Inter-Set Pausenzeit von 2-4 min
- Trainingsdauer von 7-12 Wochen
Sind das Ziel Schnellkraftanpassungen oder Hypertrophie, dann muss dementsprechend der Velocity Loss angepasst werden. Für Schnellkraft ist ein geringer VL anzustreben. Für Hypertrophie hingegen ein hoher VL. Das Steuern mit Geschwindigkeiten setzt eine konstante Technik voraus und macht bei Maximalkraft- bzw. Schnellkrafttrainings sinn!
"As higher VL experienced during resistance training could interfere with the ability to rapidly produce force, cause a reduction in the expression of fast-twitch muscle fbers, and prolong recovery from resistance training, low to moderate VL could be recommended to optimize strength and power training adaptations as well as the performance of sport-specifc tasks. However, if hypertrophy is also the goal, more of the prescribed sets could utilize moderate VLs, or more total sets with low to moderate VL could be performed."
(Jukic et al., 2023, p. 178)
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